Programm

Von 05. 06. 2024
Bis 28. 10. 2024
Ausstellung
Sprache: CZ, EN, DE
Západočeská galerie v Plzni
Pražská 18, Pilsen

Mit Kafkas Augen. Zwischen Bild und Sprache

Im Mittelpunkt der Ausstellung steht die Beziehung Franz Kafkas zur bildenden Kunst sowie zur visuellen Kultur seiner Zeit ebenso wie sein eigenes zeichnerisches Schaffen.

Der Betrachter Franz Kafka interessierte sich neben der hohen Kunst auch für Ausdrucksformen der Popkultur, darunter Illustrierte und Plakate, Film, Fotografie, Tanz, Zirkus und Kabarett. In der Heterogenität der Bilder, die Kafka in seinem Alltag umgaben, können wir eine Parallele zur Mehrsprachigkeit sehen, die für Prag und den gesamten mittel- und osteuropäischen Raum dieser Zeit charakteristisch war. Beim Durchqueren seiner Stadt war Kafka einem Sprachenwirrwarr ausgesetzt – Tschechisch und Deutsch, darunter das Deutsch der jüdischen Intellektuellen, das „deutsche Kreol“ der tschechischen Köchinnen sowie Bediensteten, und nach 1914 das Jiddisch der jüdischen Flüchtlinge aus dem Osten.

Die visuellen Reize, die auf Kafkas Vision einwirkten, waren vielfältig. An den Gebäudeecken der Stadt hingen Plakate, die die Ästhetik des historischen Eklektizismus und des Akademismus mit dem Jugendstildekorativismus der Jahrhundertwende sowie dem Japonismus, später auch mit Anklängen an den in Prag sehr einflussreichen Kubismus, verbanden. Auf den Ausstellungen der Mánes-Gesellschaft der Künstler konnte Kafka dem französischen Impressionismus, dem Postimpressionismus, dem tschechischen Jugendstil-Symbolismus und Kubismus oder dem nordischen symbolistischen Expressionismus begegnen.

Auf den Ausstellungen der Krasoumná Jednota und des Vereins Deutscher Künstler in Böhmen begegnete er Vertretern der Salonmalerei aus den Zentren des Deutschen Reiches ebenso wie Vertretern des deutsch-tschechischen Spiritualismus. Im Klub deutscher Künstlerinnen konnte er die Arbeiten von Malerinnen und Bildhauerinnen aus Prag, Olmütz, Brünn, Wien, München und anderen Zentren der deutschsprachigen Bildhauerei sehen, die konformistische Malpraktiken anwendeten, aber auch künstlerische Innovationen reflektierten.

In den Prager Kinos beobachtete er den exaltierten Ausdruck von Gesten und Bildern in europäischen und amerikanischen Stummfilmen, besuchte Aufführungen des russischen und französischen Balletts, und in Kabaretts nahm er aufmerksam die Haltungen und Bewegungen wahr, die den Gesang, den Tanz sowie die Rezitation der Varietékünstler begleiteten.

Die von Marie Rakušanová kuratierte Ausstellung versucht, dem heutigen Betrachter diese Vielfalt mittels unterschiedlicher Medien zu präsentieren. Gleichzeitig wird die Frage gestellt, wie sich Kafkas visuelle Erfahrungen in der Sprache seiner Texte spiegeln. Kafka verschlang, beobachtete und beschrieb disparate Bilder, aber er hat sie nie kategorisiert, interpretiert oder beurteilt. Zugleich empfand er ein gewisses Misstrauen gegenüber visuellen Eindrücken.

In seinen Tagebüchern und Briefen spricht er von der Sehnsucht, die solche Bilder in ihm wecken, ohne sie zu befriedigen. Die Krise der Repräsentation visueller Zeichen dringt auch in Kafkas Sprache ein. Die ambivalenten Gefühle des Schriftstellers gegenüber dem Visuellen spiegeln sich in seinen Kurzgeschichten und Romanen, die aus der Spannung zwischen Bild und Sprache leben.

Die Ausstellung wurde von der Westböhmischen Galerie in Pilsen und dem Adalbert Stifter Verein e. V. – Kulturinstitut für die böhmischen Länder in Zusammenarbeit mit dem Jüdischen Museum in Prag im Rahmen der Projekte Kafka 2024 und Kafka 100 vorbereitet. Mit Unterstützung des Kulturministeriums der Tschechischen Republik und des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds

Die Schirmherrschaft über die Ausstellung haben Rudolf Špoták, Hauptmann der Region Pilsen, und Roman Zarzycký, Bürgermeister von Pilsen, übernommen.


Die Ausstellung wird von einer gleichnamigen Publikation in tschechischer und englischer Sprache begleitet, die vom Verlag KANT herausgegeben wurde. 130 Normseiten, 225 Farbabbildungen. Marie Rakušanová, Herausgeberin. Marie Rakušanová (Philosophische Fakultät der Karls-Universität Prag), Nicholas Sawicki (Lehigh University Bethlehem, Pennsylvania), Marek Nekula (Universität Regensburg), Alexander Klee (Belvedere, Wien), Miroslav Halák (Belvedere, Wien).

Titelbild:

Bohumil Kubišta, Modrý autoportrét, 1909, Západočeská galerie v Plzni

Galerie:

Egon Schiele, Mužský akt, 1908, Museum Wien

Filla Emil, Hlava starého muže, 1914, Západočeská galerie v Plzni

Georg Kars, Autoportrét, 1908, Městské muzeum Velvary

Georg Kars, Zátiší se zelenou sklenicí, 1914, Západočeská galerie v Plzni

Max Horb, Autoportrét, 1905, Retro Gallery