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31. 12. 2023

Jaroslav Rudiš: Die Kafka Band - Dreimal Franz Kafka, jedes Mal ein bisschen anders

Foto: Konzert der Kafka-Band - Amerika 2019; Literaturhaus © Archiv ASV

Zámek - Das Schloss 

(Supraphon, 2014) 

© Kafka Band

Der Landvermesser K. kommt in ein verschneites Dorf am Ende der Welt. Er denkt, er könne hier seinen Platz finden und ein neues Leben beginnen, aber da irrt er sich gewaltig. Das Schloss ist mir von Kafkas Büchern das liebste. Es hat eine irrsinnige Atmosphäre. Schnee, Einsamkeit, Missverständnisse, ein Gasthaus und ein unzugängliches Schloss hoch oben auf dem Hügel. Das kennt man alles irgendwie. 

2013 dachten wir, wir würden nur zwei Konzerte spielen – eins in Prag und eins in Stuttgart, wo Jaromír 99 im Literaturhaus mit seiner Comic-Adaption des Schlosses eine Ausstellung hatte. Zu diesem Comic hatten wir eigentlich einen szenischen Soundtrack komponiert. Aber dann kamen gleich die Anfragen: weitere Konzerte, Aufnahmen für ein Album. 

Wir mischen da das Deutsche mit dem Tschechischen, und das kommt auch auf den anderen Platten vor. Den Gesang teile ich mir mit Jaromír 99. Die Texte basieren auf dem Roman. Wir reduzieren Kafka nur, verdichten ihn, schreiben ihn aber kaum um. Musikalisch setzen wir vor allem auf akustische Instrumente. Wir haben dabei an eine Band gedacht, die in einer Ecke des Gasthauses spielt, das K. am Anfang des Romans betritt. Produziert wurde das Album von unserem Bandleader Dušan Neuwerth. 

Mit dem Album sind wir dann für ein Konzert nach Bremen gefahren. Und eigentlich gleich dortgeblieben, um gemeinsam mit Regisseur Alexander Riemenschneider eine Musik-Theater-Inszenierung zu entwickeln. Die Premiere war im September 2015. 

 Amerika 

(Indies Scope, 2019) 

© Kafka Band

Die Inszenierung des Schlosses in Bremen war erfolgreich, und so bekamen wir vom Theater ein verlockendes Angebot: Noch einmal Kafka zu vertonen und auf die Bühne zu bringen, das Fragment Amerika. Die Premiere der Musik-Theater-Inszenierung fand im Herbst 2017 statt, wieder in der Regie von Alexander Riemenschneider. Die Lieder entstanden während der Theaterproben und wir nahmen sie dann mit ins Studio Sono nahe Prag, wo alle drei Alben aufgenommen worden sind. Alexander arbeitete als Produzent an dem Album und beteiligte sich auch an einigen Texten, die ansonsten vor allem Jaromír 99 und ich schreiben. Hier haben wir uns manchmal freier an Kafka inspiriert als beim Schloss. Und wir singen auch auf Englisch. Denn auch im Buch muss der junge Karl Roßmann, der von seinen Eltern nach Amerika vertrieben wird, Englisch lernen. Er hat dort einen reichen Onkel, endet aber auf der Straße, verloren und verzweifelt. Themen des Albums sind Entfremdung, Einsamkeit, Verschwinden, seltsame Lieben, aber auch neue Technologien. Kafka beschreibt ein Amerika voller Autors, Krach und moderner Fabriken. Weshalb wir auf dem Album auch häufig elektronische Instrumente verwenden. 

 Der Process 

(Indies Scope, 2023) 

© Kafka Band

Wieder im Probenraum, zurück auf Anfang. Das Album verdankt seine Entstehung der Einsamkeit der Rychlebské hory. Und in der Isolation, während der Coronazeit. Und wir am Kamin in der Tančírna im Račí údolí dachten dabei nicht nur an Einsamkeit, Düsternis und Angst, sondern auch an die Großstadt in der Nacht, an die Bars und Clubs, in die wir gemeinsam mit unserem tragischen Helden Josef K loszogen. 

Josef K. wird eines Tages festgenommen, wird aber nie erfahren warum. Eine unsichtbare, brutale Macht ist gegen ihn. Der Prozess ist ein dunkles, melancholisches Club-Album. Kafkas Text ist zeitlos, und so sind wir auch an ihn herangegangen. Wir haben versucht, ihn in die musikalische Gegenwart zu holen. Zwei Kompositionen, Maskenball und Leni, sind nur von Kafka inspiriert, die Texte stammen von Jaromír 99 und mir, aber ansonsten gilt für dieses Album, dass wir in den Texten versucht haben dem Original treu zu sein. Das Album hat wieder unser Bandleader und Gitarrist Dušan Neuwerth produziert, der zusammen mit Jaromír 99 auch die meisten musikalischen Ideen eingebracht hat. 

Mit dem Album Der Process schließt unsere Kafka-Trilogie. Aber ganz das Ende ist es doch noch nicht. Im Kafka-Jahr 2024 stehen uns viele Konzerte bevor. Gleich Mitte Januar spielen wir in Prag, Stuttgart und München. Von dort aus fahren wir direkt ins Studio Sono, wo wir noch die beiden Lieder aufnehmen wollen, die wir auf den Konzerten immer als Zugabe spielen. Sie basieren auf Kafkas Erzählungen Die Bäume und Kinder auf der Landstraße.

Heute besteht die Kafka-Band aus Petr Weiser (Bassgitarre), Zdeněk Jurčík (Keyboard), Tomáš Neuwerth (Schlagzeug), Lukáš Morávek (Gitarre, Trompete, Gesang), Dušan Neuwerth (Gitarre), Jaromír Švejdík (Gesang) und Jaroslav Rudiš (Gesang). 

Aus dem Tschechischen von Katrin Janka

Jaroslav Rudiš ist tschechischer Schriftsteller und Dramatiker, der in Berlin lebt. Seine Texte schreibt er auf Tschechisch und Deutsch. Er ist Mitbegründer der Kafka Band.